Schwerpunktthema
Bürger:innenbeteiligung
Auf den ersten Blick scheint Bürger:innenbeteiligung inzwischen in aller Munde - bei vielen großen Vorhaben und Entscheidungen wir den Menschen einer Stadt oder Gemeinde inzwischen eine Mitsprachemöglichkeit eingeräumt. Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass nicht alle Beteiligungsangebote auch tatsächlich welche sind. Oft handelt es sich nämlich eher um eine Information über Geplantes als um tatsächliche Mitgestaltungsmöglichkeiten. In anderen Fällen werden viel (ehrenamtliche) Zeit und oft auch Geld in einen gemeinsamen Prozess investiert, die Ergebnisse aber am Ende nicht genutzt. Oder, und auch das kann den entscheidenden Unterschied ausmachen, es werden lediglich Meinungsbilder erfasst, wo es eigentlich qualifizierte Urteile bräuchte, die auf einer guten Kenntnis aller Entscheidungsgrundlagen basieren.
Da wir denken, dass gut gemachte Bürger:innenbeteiligung das Potential hat, einen wichtigen Beitrag zur Demokratiestärkung zu leisten und aktueller Politikverdrossenheit entgegenzuwirken, aber auch die Freude an politischer Arbeit und Verwaltungsarbeit zu erhöhen, haben wir auf dieser Seite Grundkriterien für wirkliche Bürger:innenbeteiligung zusammengefasst - als Liste und in einem kleinen Informationsfilm.
Wir sind aber auch der Meinung, dass jede Beteiligung das passende Format braucht. Manchmal ist das ein aufwändiges Verfahren wie eine Bürgerversammlung, in anderen Fällen reicht eine Planungszelle oder ein Planning for Real. Nachfolgend haben wir ausgewählte Beteiligungsformate kurz porträtiert. Weitere, vertiefende Informationen finden Sie in Handbüchern oder Anleitungen, die wir ebenfalls gern bereitstellen.
Gute/effiziente/sinnvolle Bürger:innenbeteiligung?
Ernst gemeinte Bürger:innenbeteiligung muss grundlegenden Regeln folgen
Das Videos überträgt Ihre Nutzerdaten an YouTube. Starten?
VIDEO STARTEN
Beginnen wir mit einem kurzen Erklärvideo (3:19 min . bei Youtube ansehen . Herunterladen . ca. 50 MB).
Es gibt sehr viele unterschiedliche Formate, die heute mit dem Begriff "Bürger:innenbeteiligung" assoziiert werden, sich aber nicht nur in Ablauf und Zielsetzung, sondern auch in vielen weiteren, wesentlichen Details unterscheiden.
So gibt es Formate, die von den Bürger:innen ausgehen, wie z. B. Petitionen oder Bürgerinitiativen, zumeist direkt Betroffenen. Andere Formate werden (meistens) von der Politik initiiert, wie z. B. Bürger:innenräte, Volksabstimmungen oder Bürger:innenhaushalte. Einige Formate wollen alle beteiligen, andere eher die Betroffenen und Dritte setzen auf eine repräsentative Auswahl. Einige Formate setzen auf Informieren, andere auf Austausch und Dritte auf Mitentscheiden. Insofern müssen wir hier sehr genau unterscheiden, was eher ein Protest- oder Informationsformat ist und welches das Label "Bürger:innenbeteiligung" wirklich verdient.
Wenn Bürger:innenbeteiligung also ernst gemeint ist, muss sie einigen grundlegenden Regeln folgen und kann dann die parlamentarische Demokratie entscheidend bereichern. Aus unserer Sicht sind das folgende:
- Gute Bürger:innenbeteiligung ist frühzeitige Bürger:innenbeteiligung.
- Gute Bürger:innenbeteiligung basiert auf qualifizierten Urteilen - deshalb beginnt sie mit einer Qualifizierungsphase, in der verschiedene Expert:innen und Perspektiven zu Wort kommen.
- Gute Bürger:innenbeteiligung berücksichtigt alle wichtigen Bevölkerungs- und Interessengruppen und bildet die Gesellschaft ab.
- Einzelne Interessen- oder Betroffenengruppen erhalten kein Übergewicht gegenüber Mehrheiten.
- Bürger*innenbeteiligung braucht Verbindlichkeit, d.h. eine nachvollziehbare Nutzung der Ergebnisse, die von Beginn an verabredet ist. Im Idealfall ist sie in der kommunalen Gesetzgebung verankert, wenigstens durch Beschlüsse und Geschäftsanweisungen gesichert.
- Gute Bürger:innenbeteiligung macht die Auswahl der Beteiligten, den Entscheidungsprozess und die Ergebnisverwertung so transparent, dass sie für alle nachvollziehbar sind.
- Gute Bürger:innenbeteiligung braucht die Auswahl der geeigneten Methode - und dazu müssen die Menschen in der Stadt die verfügbaren Methoden kennen und ihre Wirkungsweise verstehen.
- Bürger:innenbeteiligung ist kein Ersatz für parlamentarische Prozesse.
- Bürger:innenbeteiligung stärkt die Demokratie, weil Sie unterschiedliche Haltungen und Lebenswelten zusammenführt und weil sie das Vertrauen in die Institutionen der Demokratie steigert.
Bewährte Methoden - je nach Eignung und konsequenter Umsetzung
Bürger:innenrat/Bürger:innenversammlung
Bürger:innenräte verstehen sich als Ergänzung zum repräsentativ-demokratischen System. Dies setzt aber auch voraus, dass Parlamente und Verwaltung die erarbeiteten Ergebnisse tatsächlich nutzen. Ablauf, Dauer und Umfang von Bürger:innenräten können stark variieren - in kleinen Gemeinden sind es eher 50 Teilnehmende, in großen oder bei nationalen Entscheidungen bis zu 200. Immer jedoch beginnt ein Bürger:innenrat mit der Auswahl von Teilnehmenden in einem qualifizierten Losverfahren. Dabei ist wichtig, dass die Zusammensetzung des Rates ein Abbild der Gesamtbevölkerung ist, für die er eine Entscheidung trifft. Damit wird sichergestellt, dass alle relevanten Perspektiven und Erfahrungen in die Entscheidung einfließen. Ist der Bürgerrat initiiert, setzen sich die Teilnehmenden über einen längeren Zeitraum mit dem zu verhandelnden Thema auseinander. Am Beginn dieses Prozesses steht eine Phase der Qualifizierung, in der Expert:innen aus allen relevanten Gruppen angehört werden. Danach folgt die Diskussionsphase, die mit einer Entscheidungsfindung endet. Wichtig ist auch, dass jeder Schritt eines Bürger:innenrates für Beobachter nachvollziehbar ist, denn nur so kann eine gute Akzeptanz der Ergebnisse erzielt werden. Empfohlen wird außerdem, den Prozess von einem wissenschaftlichen Team begleiten und evaluieren zu lassen.
Bürger:innenausstellung
Diese Ausstellungen präsentieren verschiedene Perspektiven, Meinungen und Vorschläge zu einem Thema gleichberechtigt nebeneinander. Hierzu werden ausgewählte Personen jeder größeren Interessengruppe befragt und porträtiert, so dass ihre Meinung und auch ihr Erfahrungs- und Lebenshintergrund nachvollziehbar wird. Auf diese Weise werden für jeden Besucher neue Sichtweisen auf das betrachtete Problem erkennbar - eine gute Grundlage für den daran anknüpfenden Diskussionsprozess. Insofern ist es sinnvoll, die Bürger:innenausstellung mit anderen Beteiligungsformaten zu kombinieren. Außerdem wird empfohlen, Besucher:innen der Ausstellung zu deren Kommentierung einzuladen - und die Kommentare dann ebenfalls zum Teil der Ausstellung zu machen.
BürgerForum
Ein Bürgerforum greift die Inhalte einer Onlineplattform auf, auf der über das Beteiligungsthema, die verschiedenen Sichtweisen auf das Thema und die Möglichkeiten der Kommunikation über das Thema informiert wird. Diese Informationen bilden die Arbeitsgrundlage für den ersten Teil des Forums: die Auftaktwerkstatt. Hier machen sich alle Teilnehmer mit dem Thema vertraut, entwickeln erste Umsetzungsideen und definieren die Herausforderungen, die der nachfolgende Arbeitsprozess bearbeiten soll. Es folgt eine einwöchige Online-Werkstatt, in der die Teilnehmenden gemeinsam ein "Bürgerprogramm" erarbeiten. Dieses wird dann in der dritten Phase, der Abschlusswerkstatt, der Öffentlichkeit und politischen Vertreter:innen vorgestellt. Am Ende steht eine Vereinbarung über die Einspeisung der Forumsergebnisse in politische Prozesse.
Charette
Charettes sind öffentliche Planungsworkshops, in denen gute Lösungen für eine anstehende Planungsaufgabe erarbeitet werden können. Sie beginnen mit der gemeinsamen Erkundung des geografischen Gebietes, für das eine Entscheidung zu treffen ist. Außerdem werden alle Teilnehmenden in Informationsforen qualifiziert. Anschließend formiert sich die Charette-Kerngruppe. Sie setzt sich aus Expert:innen, Verwaltungsmitarbeitenden und lokalen Initiativen zusammen. In der nun folgenden Hauptcharette, die meist drei bis sieben Tage dauert und direkt im bearbeiteten Gebiet stattfindet. Sie finden sich die Teilnehmenden an verschiedenen Thementischen zusammen. Dort arbeiten sie in mehreren Durchläufen und wechselnden Gruppen an je einem Unterthema. Im Forum, das am Ende dieses Prozesses stattfindet, werden die Ergebnisse vorgestellt und in die politischen Gremien eingebracht, wo sie als Grundlage für eine Beschlussfassung dienen.
Community Organizing
Dieses Beteiligungsinstrument ist nicht, wie die meisten anderen, zeitlich befristet. Stattdessen bildet sich hier eine dauerhaft arbeitende Organisation, die sich an Entscheidungen im Stadtteil, der Stadt oder Region beteiligt. Die aus Einwohner:innen bestehenden Communities tragen zur Lösung von Problemen bei. Sie sind den Prinzipien mitbestimmende Teilhabe, Selbstbestimmung und Demokratie verpflichtet. Jeder Arbeitsprozess in der Community beginnt mit einer Phase des Zuhörens. Hier werden Einzelgespräche geführt, um bestehende Probleme und gewünschte Veränderungen zu identifizieren. Danach werden durch die Community mögliche Lösungen erarbeitet und Verantwortliche für deren Umsetzung ermittelt. Im Anschluss werden diese Lösungen verhandelt und umgesetzt. Die hierzu durchgeführten Maßnahmen werden gemeinsam ausgewertet, um über diese gemeinsame Auswertung die Community zu stärken und für zukünftige Prozesse zu lernen.
Dragon Dreaming
Bei dieser Methode geht es darum, zunächst gemeinsame Visionen zu entwickeln (zu erträumen = dreaming) und aus diesen Wunschbildern gemeinsame Ziele abzuleiten. In der nächsten Phase der Methode, dem Planen, werden Aufgaben definiert, die ein Erreichen der Ziele ermöglichen. Diese formen ein gemeinsames Projekt, für das die Teilnehmenden einen Ablaufplan erarbeiten. Im dritten Schritt, dem Handeln, werden Rollen festgelegt, Aufgaben an Verantwortliche übergeben und mit Zeitplänen und Budgets unterlegt. In der letzten Phase, dem Feiern, werden die Ergebnisse des Projekts ausgewertet, evaluiert und gemeinsam gewürdigt. Dem Dragon Dreaming liegt eine Haltung der Wertschätzung zugrunde - sich selbst, anderen Menschen und der Umwelt gegenüber. Das Verfahren wertschätzt Stärken ebenso wie Schwächen. Es schätzt persönliches Wachstum, stärkt Gemeinschaft und Zusammenhalt, bringt Gegensätze dazu, sich zu einem stimmigen Ganzen zusammenzufinden - und baut auf Vielfalt, Kreativität und Nachhaltigkeit. Hierfür braucht es einen Verzicht auf Konkurrenz, die Suche nach Win-Win-Prinzipien und die Offenheit, sich auf neue Dinge und Sichtweisen einzulassen. Möglich wird dies durch eine konsequent gewaltfreie Kommunikation und eine bestimmte, methodenspezifische Art des Zuhörens.
Planning for Real
In diesem Verfahren überlegen Menschen gemeinsam, was in einem bestimmten Lebensraum (oder einem Teil davon) verändert werden sollte und was sie selbst zu dieser Veränderung beitragen können. Planning for Real setzt sehr stark auf die Selbstorganisationen von Bewohner:innen. Die Teilnehmenden arbeiten mit einem von den Einwohner:innen des Gebiets gebauten Modell. Dieses wird an verschiedenen öffentlichen Orten vorgestellt, Probleme und Möglichkeiten werden diskutiert. Dabei können das Modell korrigiert aber auch Informationen gesammelt werden, die für den Planungsprozess relevant sind. Hierzu werden Nachbarschaftshilfebögen verteilt, die die Menschen befragen, welche Fähigkeiten und Interessen sie für die Entwicklung des Ortes bereitstellen können. Es können aber auch Hilfebedarfe formuliert werden - es geht also um Geben und Nehmen. In Auswertung dessen entwickeln die Bewohner:innen in einer Ereignis-Veranstaltung gemeinsam Strategien. Es folgen eine Priorisierung und Zeitplanung für alle vorgeschlagenen Themen. Danach werden die Themen in Arbeitsgruppen in Aktionspläne überführt. All diese Arbeitsprozesse werden so dokumentiert, dass interessierte Menschen den Prozesse verfolgen können. Auch die Zwischenergebnisse werden veröffentlicht und in Veranstaltungen diskutiert. Danach beginnt die Umsetzung der Aktionspläne, mit dem Ziel, in kurzer Zeit sichtbare Ergebnisse zu schaffen. Dies gelingt auch dadurch, dass mit den machbarsten Maßnahmen begonnen wird.
Forumtheater/Legislatives Theater
Wie der Name es nahelegt, ist dieses Beteiligungsformat eine Art Theater, bei dem das Publikum am Spielgeschehen teilnimmt. Im Mittelpunkt steht die theatralische Darstellung eines Konflikts oder Problems. Dieses wird mehrfach vorgespielt und bei jedem Durchlauf können die Zuschauer:innen Rollen ersetzen oder Lösungsvorschläge in die Handlung einbringen. Dadurch werden Strukturen und Abläufe von Problemen in ihrer Ganzheit ebenso sichtbar, wie mögliche Folgen bestimmter Handlungen. Alle so präsentierten Ideen und Vorschläge für gesellschaftliche Veränderungen und Verbesserungen werden gesammelt, dokumentiert und reflektiert. Am Ende leiten alle Teilnehmenden gemeinsam Vorschläge oder Forderungen ab, die dann den entsprechenden politischen Gremien vorgelegt werden. Die Methode bietet eine besonders gute Möglichkeit, "große Politik" mit den konkreten Lebens- und Alltagsrealitäten der Menschen zu verbinden. Sie bezieht auch Menschen ein, die üblicherweise nur wenig am öffentlichen, politischen, und kulturellen Leben teilnehmen und ermutigt sie gezielt dazu, ihre Wünsche und Interessen zu artikulieren und sich politisch zu engagieren.
Open Space
Bei dieser Beteiligungsmethode kommen Menschen in einem "offenen Raum" zusammen, um ein ihnen wichtiges Thema zu bearbeiten - selbstorganisiert und selbstverantwortet. Die Methode eignet sich besonders für Veränderungs- oder Klärungsprozesse, an denen in kurzer Zeit viele Menschen (meist zwischen 50 und 300) beteiligt werden sollen. Ein Open Space dauert ein bis zweieinhalb Tage. Die Methode folgt keiner vorher festgelegten Tagesordnung - die Tage sind mit einer Abfolge von Meetings und Kaffeepausen, in denen sich Menschen kennenlernen, Informationen austauschen, Kontakte knüpfen und sich für weiterführende Projekte verabreden. Die einzigen formalen Vorgaben sind der Ort und der Zeitrahmen. Alles andere geschieht allein durch das Engagement und die Initiative der Teilnehmenden.
Planungszellen
Planungszellen werden in der Regel von einem Parlament oder eine Verwaltung in Auftrag gegeben, aber von einer neutralen Instanz durchgeführt. Bearbeitet werden beispielsweise städtebauliche Themen, technische Großprojekte, Quartiersentwicklungsthemen, Verkehrsthemen oder Zukunftstechnologiefragen. Die insgesamt 25 per Los ausgewählten Teilnehmer:innen der Planungszelle erarbeiten in einem 4tägigen Prozess ein sogenanntes Bürgergutachten, bei komplexeren Themen finden mehrere Planungszellen parallel statt. Der Prozess beginnt mit einer Qualifizierung der Teilnehmenden durch Expert:innen und Interessenvertreter:innen. Danach arbeiten die Teilnehmenden in Kleingruppen mit je fünf Personen zusammen - in vier Arbeitsrunden pro Tag, ohne Moderator:in. Die Teilnehmenden erhalten für Ihre Mitwirkung eines Aufwandsentschädigung. Am Ende des Prozesses wird das alle Ergebnissen zusammenführende Bürgergutachten in einer öffentlichen Veranstaltung übergeben. Ein Jahr später berichtet der Auftraggeber dann der Öffentlichkeit über den Stand der Umsetzung. Planungszellen sind vergleichsweise aufwendig, führen aber zu hochwertigen Diskussionsergebnissen und abgewogenen Empfehlungen, wie die zahlreichen bisherigen Erprobungen gezeigt haben.
Stadt(teil)spaziergänge
Dialogische Spaziergänge ermöglichen die Abstimmung zu Stadt- oder Landschaftsentwicklungsthemen im unmittelbaren Erleben des zu gestaltenden Ortes - und in der Bewegung. Auf diese Weise können die besondere Beschaffenheit und Atmosphäre der zu gestaltenden Räume erfasst und in den Überlegungen berücksichtigt werden. Denn gerade bei umstrittenen Bauprojekten spielen auch diese eine Rolle, sind aber schwer abstrakt zu erfassen und dadurch in Überlegungen einzubeziehen. Während eines solchen Spaziergang soll keine verbindliche Lösung erarbeitet oder über ein Problem abgestimmt werden. Man redet über die Planung und Umsetzung eines Projektes - vor Ort, so dass Positionen und Haltungen sich unmittelbar veranschaulichen oder überprüfen lassen. In einigen Fällen finden im Anschluss noch Talk-Runden statt, in denen die Beobachtungen gemeinsam reflektiert werden.
Systemisches Konsensieren
Bei dieser Methode wird ein systematischer Prozess gestaltet, in dem aus einer Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten der Vorschlag ausgewählt wird, der den geringsten Widerstand bzw. die höchste Übereinstimmung auslöst. Dabei stimmen die Teilnehmenden in einem gleichberechtigten Verfahren nicht mit Ja/Nein/Enthaltung ab, sondern beziffern jeweils den Grad des von ihnen empfundenen Widerstandes zu jeder Lösung (auf einer Skala von 0 bis 10). Anschließend werden die abgegebenen Stimmen für die einzelnen Lösungen summiert und ausgewertet. Der Vorteil dieser Methode ist, dass der Gefühlsebene der Beteiligten Raum gegeben und sie wertgeschätzt wird, statt sie, wie bei regulären Abstimmungen, durch Argumente zu verdecken. Die Erfahrung zeigt, dass das Systemische Konsensieren sehr konfliktlösend wirkt, die Beteiligten über die Entscheidung hinaus zur Lösungssuche motiviert und ein hohes Maß an Zustimmung erzeugen kann.
Szenariotechnik
Bei dieser Methode werden mehrere Szenarien (ein Trendszenario als Fortschreibung der aktuellen Entwicklung sowie ein positives und ein negatives Extremszenario als best- und schlechtestmöglicher Verlauf) entwickelt. Es werden also unterschiedliche Vorstellungen von positiven und negativen Entwicklungen in einer Stadt oder zu einem Thema zu umfassenden Bildern und Modellen zusammengefasst. Die Basis für jedes Szenario sind quantitative Daten und Informationen, aber auch qualitative Einschätzungen und Wertvorstellungen. Dadurch verbinden sich analytische mit kreativen und intuitiven Elementen. Genau diese Kombination macht unsere Welt in ihrer Komplexität und Kompliziertheit so erfassbar, dass eine gute Entscheidungsgrundlage entsteht. So kann etwa die Frage "Was wäre, wenn die Stromversorgung der Stadt zusammenbricht?" so durchgespielt werden, dass sich daraus nötige - ganz praktische, interdisziplinär gedachte - Maßnahmen ableiten und bewerten lassen.
Walt-Disney-Methode
Bei diesem Beteiligungsmodell geht es darum, ein Problem oder Projekt aus drei verschiedenen Perspektiven zu betrachten - jede davon wird nacheinander von allen Teilnehmenden gemeinsam eingenommen. Der Prozess startet mit den Ideen der Träumer, deren Ideen für die Zukunft dann durch die Realisten auf Umsetzbarkeit geprüft werden. Am Ende steht die Prüfung durch die Kritiker. Diese benennen Schwachpunkte und formulieren Fragen - die dann wieder an den Träumer weitergegeben werden. Dieser Kreislauf wird so lange wiederholt, bis das Ergebnis den Anforderungen genügt. Hierbei ist wichtig, dass jeder Teilnehmende - als Einzelperson oder im Team - konsequent in der aktuellen Rolle bleibt. Oft wird jeder Rolle ein geografischer Ort zugewiesen, so dass der Wechsel zwischen den Sichtweisen auch physisch deutlich wahrnehmbar ist.
Zum Weiterlesen: Ausführliche Informationen zu jedem der hier vorgestellten Methoden, aber auch Beschreibungen weiterer Methoden finden Sie unter
www.netzwerk-buergerbeteiligung.de
Relevanz
Warum ist Bürger:innenbeteiligung besonders für unsere Parlamente wichtig?
Wir haben uns für eine parlamentarische Demokratie entschieden, delegieren also Verantwortungen und Entscheidungskompetenz an die gewählten Vertreter:innen, also Gemeinde- und Stadtvertretungen, Bürgerschaften, Länderparlamente, den Bundestag oder das EU-Parlament. Der scheinbare Widerspruch zur Bürger:innenbeteiligung ist aber gar keiner, denn die Entscheidungen selbst fällen weiterhin die parlamentarischen Vertreter:innen.
Aber die Parlamente steht vor immer größeren Herausforderungen bei:
- Problemen, die sehr komplex sind (z. B. die Eindämmung von Klimakrisenfolgen)
- Problemen, die langfristige Folgen haben (z. B. mehr ÖPNV, statt Parkflächenbau)
- Themen, die polarisieren (z. B. Nutztierhaltung)
- Themen, die soziale Spaltungen hervorrufen (z. B. Corona-Maßnahmen)
- Themen, die in der Öffentlichkeit wenig Verständnis genießen (z. B. Steuererhöhungen)
- Themen, die kollektives Handeln und/oder Verhaltensänderungen erfordern (z. B. Umstellung auf nachhaltiges Heizen)
- Themen, die Kompromisse erfordern (z. B. Tempolimits)
- Themen, die mehrere Betroffene mit entgegengesetzten Interessen haben (z. B. Hafenerweiterung oder Naturschutz)
- ...
Hier besteht aktuell die Gefahr, dass die Parlamente dazu neigen, solche Themen gar nicht erst zu bearbeiten, um sich nicht bei den eigenen Wähler:innen in Misskredit zu bringen. Um also Ihre Partei oder Wählergemeinschaft zu schützen, könnten einige Probleme mit Methoden der Bürger:innenbeteiligung entschieden und - so sie nicht gegen geltendes Recht oder andere Grundsätze verstoßen - durch die Parlamente beschlossen werden. Das stärkt das Vertrauen in demokratische Prozesse und die Selbstwirksamkeit.
Chronologische Zusammenstellung
Eigene Veranstaltungen zum Thema
Alle Veranstaltungen haben wir in verschiedenen Kooperation durchgeführt.
Veranstaltungsreihe "Demokratie abfeiern"
06.06.2024: Beteiligungscafé
Details
Veranstaltungsreihe "Beteiligung ganz konkret gedacht"
28.11.2023: Bürger:innenhaushalte für die Stadtteile?
Details
Veranstaltungsreihe: "Bürger:innenbeteiligung für Rostock?!"
Teil 5: Geeignete Formate für eine stärkere Bürger:innenbeteiligung in Rostock
Details
Veranstaltungsreihe: "Bürger:innenbeteiligung für Rostock?!"
Teil 4: Innovative Bürger:innenbeteiligung in Taiwan - Was wir in Europa und Rostock davon lernen können
Details
Veranstaltungsreihe: "Bürger:innenbeteiligung für Rostock?!"
Teil 3: Bürger:innengutachten in Planungszellen
Details
Veranstaltungsreihe: "Bürger:innenbeteiligung für Rostock?!"
Teil 2: Bürger:innenversammlung
Details
Veranstaltungsreihe: "Bürger:innenbeteiligung für Rostock?!"
Teil 1: Klimabeirat
Details